Achtung Geflügelpest! – Information vom 08.12.2022 - Zahlreiche Ausbrüche nach Geflügelausstellung!
Das Geflügelpestgeschehen in Europa und die zahllosen Fälle von verendeten Wildvögeln durch den hochpathogenen Erreger der Vogelgrippe H5/N1 (HPAI H5/N1) kam auch in den Sommermonaten nicht zum Erliegen und zeigt seit Oktober wieder einen starken Anstieg. Seit dem ersten Oktober wurde das Virus bei 83 untersuchten Wildvögeln festgestellt. Dabei beschränkt sich die Ausbreitung der Vogelgrippe nicht, wie in den letzten Jahren allein auf die Küstenregionen Norddeutschlands, sondern tritt zeitnah in mehreren Bundesländern auf. Aufgrund der bisherigen Entwicklung geht das Friedrich Loeffler Institut (FLI) in seiner aktuellen Risikoeinschätzung zum Auftreten der Vogelgrippe vom 08.11.2022 deutschlandweit von einer hohen Gefährdungslage aus. „Es sei derzeit von einem hohen Eintragsrisiko durch Verschleppung des Virus zwischen Haltungen (Sekundärausbrüche) innerhalb Deutschlands und Europas auszugehen“. Die Risikobewertung zur Einschleppung und Auftreten von HPAI können Sie ausführlich auf der Internetseite des FLI unter www.fli.de lesen.
Leider hat sich diese Befürchtung mittlerweile bestätigt, da es im Zusammenhang mit einer Geflügelausstellung in Mecklenburg-Vorpommern zu einer Verschleppung des HPAI Virus H5/N1 in mehrere Rassegeflügelbestände kam. Bisher sind 60 Haltungen in 4 Bundesländern betroffen. Aber auch in anderen Bundesländern gab es Vogelgrippefälle in Rassegeflügelhaltungen.
Bisher wurden in Deutschland 111 Ausbrüche der Geflügelpest in 12 Bundesländer festgestellt (siehe Tabelle).
In einer aktuellen Eilmeldung des FLI vom 07.12.2022 hat das Institut aufgrund der Verbreitung der Vogelgrippe über mehrere Geflügelausstellungen darauf hingewiesen, dass alle Geflügelhalter unabhängig von der Größe der Geflügel- oder Vogelhaltung unbedingt die Biosicherheitsmaßnahmen überprüfen und gegebenenfalls verbessern sollten. Das Friedrich Loeffler Institut empfiehlt, dass die Veranstaltungen weiterer Ausstellungen von Rassegeflügel angesichts der oben genannten Seuchengeschehen bis auf weiteres ausgesetzt werden.
Das Europäische Tiergesundheitsrecht (Verordnung EU 2016/429), das am 21.04.2021 in Kraft getreten ist, betont die Verantwortung der Tierhalter für die Gesundheit der gehaltenen Tiere, die unabhängig von der Anzahl der Tiere ist. Nach Artikel 10 ist jeder Tierhalter verpflichtet, das Risiko hinsichtlich der Ausbreitung von Seuchen zu minimieren.
Damit auch Rassegeflügelhalter ihrer Verpflichtung zur Umsetzung von sachgerechten Biosicherheitsmaßnahmen nachkommen können, gibt es aus verschiedenen Fachgremien Empfehlungen für wirksame Maßnahmen, eine Seuchenverschleppung zu vermeiden.
Hier noch einmal Informationen, die dazu dienen sollen, die eigene Haltungshygiene und die seuchenhygienische Abschirmung zu überprüfen und vorhandene Defizite zu erkennen und zu beseitigen.
Stallumgebung:
Eine gute Hygiene beginnt bereits im Umfeld des Stalles. Die Umgebung der Ställe sollte aufgeräumt sein und nicht als Lagerplatz dienen. Dort abgelagerte Materialien, wie Holz und Baustoffe, aber auch dichter Bewuchs mit Gestrüpp, machen das Gebiet um die Ställe für Schadnager attraktiv und dienen ihnen als Deckung und Nistplatz. Es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, wann sich die Schadnager einen Zugang in den Stall verschaffen und somit auch Krankheitserreger eintragen können.
Befestigte Bereiche (Betonplatten) vor den Eingängen ermöglichen eine wirkungsvolle Reinigung und Desinfektion, so dass weniger Dreck in die Ställe geschleppt wird.
Ställe sind verschlossen zu halten, um das Eindringen von Unbefugten zu verhindern.
Volieren und Ausläufe:
Die Volieren oder Kaltscharräume sind abzudecken, damit es keine Kontamination durch herabfallenden Vogelkot geben kann. Für den Zaun ist eine Maschenweite zu wählen, durch die keine Vögel durchschlüpfen können. Der Zaun muss vogeldicht sein! Bei einer Freilandhaltung besteht durch den Auslauf, in dem sich auch Wildvögel und andere Tiere aufhalten können, ein besonderes Gefährdungspotenzial. In Ausläufen darf kein Futter angeboten werden, damit das Anlocken von Wildvögel vermieden wird. Vertiefungen, in denen sich Oberflächenwasser sammeln kann, müssen aufgefüllt werden. Falls keine separaten Auslaufluken vorhanden sind und die Tiere nur durch geöffnete Türen in den Auslauf können, sind diese durch Planen bis auf 40 Zentimeter über dem Boden abzuhängen, um das Einfliegen von Wildvögeln in den Stall zu vermeiden. Sollte eine Aufstallungspflicht erlassen werden, muss man sich an den Vorgaben des Erlasses orientieren. Um den Tieren Außenklima anzubieten und keine erhöhte Risiken eines Auslaufzugangs einzugehen, sind Wintergärten (überdachte Volieren) eine hervorragende Möglichkeit.
Personenhygiene:
Falls ein Vorraum vorhanden ist, sollte dieser als „Hygieneschleuse“ dienen und nur Gegenstände enthalten, die für die Betreuung der Tiere nötig sind.
Der Vorraum sollte unterteilt werden, um eine deutliche Trennung zwischen dem Schwarzbereich zu erreichen, der mit Straßenschuhen betreten werden kann und dem Weißbereich, der nur mit Stallschuhen betreten werden darf (z. B. Abtrennung einer Fläche vor der Stalltür durch einen Rahmen oder aufstellen einer Bierbank, hinter der die Stallschuhe stehen). Für den Aufenthalt im Stall sollte auch stalleigene Kleidung verwendet werden. Keinesfalls sollten Straßenschuhe, die im Alltag bei anderen Aktivitäten (z.B. Spaziergang in Wald und Flur) getragen werden, im Stall genutzt werden. Für die Ställe eines Bestandes ist stalleigene Schutzkleidung und Schuhe zu tragen (siehe Hygieneschleuse). Bei der Haltung verschiedener Tierarten, wie zum Beispiel Hühner, Enten usw., ist - wenn möglich- auf eine strikte Trennung der Kleidung (idealweise verschiedene betreuende Personen) je Tierart zu achten. Bitte auch die Familienmitglieder über die Bedeutung der Maßnahmen informieren. Personalhygiene gilt für alle! Betriebsfremde Personen, die den Stall betreten müssen, wie zum Beispiel der betreuende Tierarzt, haben Schutzkleidung anzulegen.
Falls im Stallgebäude ein Handwaschbecken vorhanden ist, sollte dieses auch genutzt werden. Immer daran denken, vor dem Betreten und nach dem Verlassen des Stalles die Hände mit Seife waschen. Sollte die Bedrohung durch die Geflügelpest steigen, empfiehlt es sich, eine Desinfektionswanne am Eingang aufzustellen. Sie sollte so platziert werden, dass sie nicht übersehen werden kann und zwangsweise genutzt wird. Diese ist bei Verschmutzung zu reinigen und mit einem geeigneten Desinfektionsmittel (z.B. Venno Vet super, Wofasteril usw.) in wirksamer Konzentration neu zu befüllen. Nur saubere Desinfektionswannen sind funktionstüchtig! Bei der Auswahl geeigneter Desinfektionsmittel ist die online verfügbare Liste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft hilfreich.
Um die Gefahr des Viruseintrags durch Personen zu minimieren, ist unbefugten Personen der Zugang zu den Ställen zu verwehren und kann durch Schilder „Wertvoller Tierbestand - Unbefugten Personen ist der Eintritt verboten“ gekennzeichnet werden. Im Zeitraum eines akuten Geflügelpestgeschehens sollte keine anderen Züchter den eigenen Stall betreten und auch keine Besuche anderer Bestände stattfinden. Im solchen Zeiträumen ist auch der Besuch einer Geflügel-/Taubenschau kritisch zu hinterfragen. Wird eine Schau besucht, so ist die Kleidung unmittelbar zu Waschen und die Schuhe zu reinigen und desinfizieren.
Schadnagerbekämpfung:
Schadnager stellen ein hohes Risiko für die Verschleppung verschiedener Krankheitserreger dar.
Alle Öffnungen und Ritzen, durch die Mäuse in den Stall eindringen können, sind zu verschließen und Rückzugsgebiete auf dem Betriebsgelände (siehe Stallumgebung) zu beseitigen.
Die Schadnagerbekämpfung ist konsequent durchzuführen und sollte bei Bedarf einem Spezialisten übertragen werden. Zu einer professionellen Schadnagerbekämpfung gehört eine ausreichende Anzahl von Köderboxen und deren regelmäßige Kontrolle. Zur Übersicht sollten die Kontrollen und die Bekämpfung dokumentiert werden. Zu beachten ist auch, dass Mäuse den Raum dreidimensional nutzen. Deshalb ist es sinnvoll, Köder auch auf Balken oder Simsen an den Wänden auszubringen. Eine Rattenbekämpfung sollte mit den angrenzenden Tierhaltern abgesprochen werden, da Ratten im Gegensatz zu Mäusen zwischen den Haltungen wandern.
Tränk- und Futterhygiene:
Futter ist so zu lagern, dass eine Kontamination durch Wildvögel oder Schadnager ausgeschlossen werden kann. Wird Futter lose oder in Futtersäcken gelagert, ist es in einer geschlossenen Kammer aufzubewahren. Verstreute Futterreste auf dem Gelände sind zu vermeiden, damit keine Wildvögel angelockt werden.
Grünschnitt und sonstige Pflanzen sind nur als Grünfutter zu verwenden, wenn man sicher eine Kontamination mit infektiösem Material (Kot und Sekrete) ausschließen kann. Bei der akuter Infektionslage sollte besser darauf verzichtet werden.
Zur Wasserversorgung sollte ausschließlich Wasser aus dem öffentlichen Netz oder eigenen Brunnen aber keinesfalls Oberflächen-/Regenwasser genutzt werden. Bei letzterem besteht die konkrete Gefahr, dass dies von Wildvögeln zum Baden o.ä. verwendet wurde und mit AI-Viren kontaminiert ist.
Das Einstreumaterial muss so gelagert werden, dass keine Kontamination durch Wildvögel, Schadnager oder Haustiere erfolgt. Eine offenes Strohlager, wo auch Wildvögel Zugang haben, ist ein wesentliches Risiko für einen Erregereintrag.
Pflichten zur Dokumentation und Meldung von Verlusten nach Geflügelpestverordnung:
Die Haltung von Geflügel ist dem zuständigen Veterinäramt und der Tierseuchenkasse zu melden. Jeder Geflügelhalter ist verpflichtet für seine gehaltenen Geflügelarten (Hühner, Truthühner, Perlhühner, Rebhühner, Fasane, Laufvögel, Wachteln, Enten und Gänse) ein Bestandsregister zu führen. Hierzu existieren Vordrucke, die eine unkomplizierte Dokumentation ermöglichen.
Im Bestandsregister wird jeder Zugang (geschlüpfte Küken, Zukauf) und Abgang von Tieren (Verkauf, verendete Tiere, Schlachtung) dokumentiert. Dabei ist der bisherige bzw. künftige Tierhalter inkl. Adresse festzuhalten. Wurden Tiere per Transporteur transportiert zusätzlich Name und Adresse der Firma. Befinden sich im Bestand versch. Geflügelarten, die in einem gemeinsamen Bestandsregister dokumentiert werden, ist bei allen Ab-/Zugängen und Tierverlusten die Tierart zu vermerken. Bei einem Verkauf auf einer Schau sind die Ringnummern der Tiere zu hinterlegen, ansonsten lediglich die Tierzahl ohne Einzeltieridentifikation.
Treten innerhalb von 24 Stunden in einem Geflügelbestand Verluste von
2. mehr als 2 % der Tiere des Bestandes bei einer Bestandsgröße von mehr als 100 Tieren
auf oder kommt es zu einer erheblichen Veränderung der Legeleistung oder der Gewichtszunahme, so hat der Tierhalter unverzüglich das Veterinäramt zu informieren und durch einen Tierarzt das Vorliegen einer Infektion mit einem hoch- oder niedrigpathogenen AI Virus ausschließen zu lassen.
Treten bei Beständen mit Enten und Gänsen über einen Zeitraum von mehr als 4 Tagen
1. Verluste von mehr als der dreifach üblichen Sterblichkeit der Tiere des Bestandes oder
2. eine Abnahme der üblichen Gewichtszunahme oder Legeleistung von mehr als 5 % ein,
so hat der Tierhalter unverzüglich das Veterinäramt zu informieren und durch einen Tierarzt das Vorliegen einer Infektion mit einem hoch- oder niedrigpathogenen AI Virus ausschließen zu lassen.
All diese Maßnahmen dienen dazu, die Haltungs- und die Seuchenhygiene zu optimieren, um somit die Gefahr eines Eintrags von Aviären Influenzaviren oder anderen Krankheitserregern in die Tierhaltung zu minimieren. Unabhängig von den aufgeführten Empfehlungen sind die Vorgaben der geltenden Geflügelpestverordnung und die Anweisungen der zuständigen Veterinärbehörden einzuhalten. Die Veterinärbehörden haben risikobasierte Maßnahmepläne erstellt. Bei steigendem Infektionsrisiko sollten sich Geflügelhalter bei ihren zuständigen Behörden über notwendige Maßnahmen informieren und ob für ihre Tiere eine Aufstallungspflicht besteht.
Weitere Informationen zu Schutzmaßnahmen gegen die Vogelgrippe und aktuelle Meldungen zur Aviären Influenza sind über folgende Internetseiten und Ihre zuständigen Behörden zu erhalten.
Roland Küblböck, Fachtierarzt für Geflügel, Zier-, Zoo- und Wildvögel, Geflügelgesundheitsdienst der Sächsischen Tierseuchenkasse
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