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Rund um den Bruttrieb Dr. Manfred Golze 

Bei vielen unserer Hühnerzüchtern ist der Bruttrieb eine unerwünschte Erscheinung. Sie lassen die Bruteier künstlich erbrüten, um zum gewünschten Zeitpunkt die ausreichende Anzahl Küken zur Verfügung zu haben. Denn es kann vorkommen, dass ausgerechnet während des Sammelns der Bruteier diese oder jene wertvolle Rassevertreterin gluckt. Sie liefert dann keine Bruteier und damit auch keine Nachkommen. An der neuen Generation ist sie nicht beteiligt und war aus dieser Sicht umsonst im Zuchtstamm.

Foto: H.-W. Köhler

Bei anderen Züchtern, die nach wie vor mit der natürlichen Brut arbeiten ist der Bruttrieb einiger Hennen erwünscht. Besonders natürlich dann, wenn für Ziergeflügel oder anderes Geflügel Hühner als "Brutmaschinen" gehalten werden.
Mit dem nachfolgenden Beitrag sollen ein paar Aussagen zu:

- dem Einfluss, Auftreten und Vererbung des Bruttriebes, dem Verlust an Eiern durch brütige Hennen,
- der Senkung des Bruttriebes
- aber auch im Gegensatz dazu
- der Gewinnung von Glucken,
- der Haltung von Glucken

getroffen werden. Diese Aussagen beruhen in der Regel auf eigenen Beobachtungen, auf Aussagen aus dem Schrifttum und auf Aussagen von Rassegeflügelzüchtern und Hühnerhaltern. Dabei bilden die gesäumten Zwerg Wyandotten, die vom Autor seit 1960 gezüchtet werden und bei denen der Bruttrieb bisher in der Selektion nicht beachtet wurde, gute Aussagemöglichkeiten.

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Fotp: Pixabay

Grundlagen:

Die Brütigkeit ist eine Verhaltensweise unseres Geflügels. Diese dient zumindest bei den wildlebenden Geflügelarten der Erhaltung der Art. Sie ist erblich fest verankert. Dabei treten Unterschiede zwischen den Rassen, Herkünften und Nachkommenschaften auf. Verantwortlich für die Brutlust im eigentlichen Sinne ist das Prolaktin. Dieses ist ein Hormon der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Solange dieses Hormon das Normalmaß im Blut übersteigt, bleibt der Bruttrieb erhalten. Durch äußere Umwelteinflüsse wie Temperatur, Jahreszeit, Fütterung, dunkle Nester, Eier im Nest u.a. kann die Brutlust begünstigt werden. 


Auftreten und Einflüsse
Landläufig wird verstärkt die Meinung geäußert, dass die Brutform an der Häufigkeit des Auftretens des Bruttriebes schuld ist. Also bei natürlicher Brut Bruttrieb erhalten bleibt und bei fortlaufender künstlicher Brut dieser verloren geht. Natürlich wird in Beständen, bei denen Glucken und Küken erbrüten, diese Eigenschaft vorhanden sein. Besser sie muss vorhanden sein. Aber durch die künstliche Brut kann in Beständen mit starker "Brütigkeit" diese, ohne Selektion gegen diesen Effekt, nicht beseitigt werden.

Als Beweis soll die Zucht des Verfassers herangezogen werden (Tabelle 1). Im Abstand von etwa 5 Jahren von 1960 bis 1988 wurden die Hühnerbestände und die daraus einmalig und zweimalig gluckenden Hennen aufgezeigt. Alle Eier wurden künstlich erbrütet. Es wurde dieses Merkmal unberücksichtigt gelassen. Der Bruttrieb schwankte im Bestand von 30 % bis 94,7 %. Da der letzte hohe Wert 1988 erreicht wurde, kann keine Tendenz festgestellt werden.
Zwischen den Rassen gibt es Unterschiede in der Auslösung des Bruttriebes. Leichte Rassen benötigen nach ENGELMANN (1975) 4 bis 5 mal soviel Prolaktin wie schwere Rassen (Leghorn und Cornish). Aber auch innerhalb einer Rasse gibt es je nach Herkunft große Unterschiede (Tabelle 2).
Bei einigen Rassen treten Schwankungen von über 74 % auf. Nach BRANTOS (1969) zitiert bei ENGELMANN (1975) gibt es die Beteiligung geschlechtsgebundener Gene. Bei Kreuzungen übt dabei der Hahn mit doppeltem X-Chromosom einen sichtlich größeren Einfluss auf die Übertragung der Eigenschaft "Brütigkeit" aus (Tabelle 3). Am extremsten verlief der Versuch von KAUFMANN (1948), der in dieser Tabelle mit aufgeführt ist. Leghornhähne erbrachten mit Polnischen Grünfüßerhennen keine Glucken, aber in umgedrehter Form erzielten die Polnischen Grünfüßerhähne 79 % ihrer Töchter als Glucken bei der Anpaarung an Leghornhennen.
Nach ENGELMANN (1985) soll genetisch die Brutlust von Genen abhängen, die sich gegenseitig ergänzen. Diese Annahme erklärt, weshalb Kreuzungen von zwei nicht oder wenig brütigen Rassen Nachzucht mit Bruttrieb erzeugen (Tabelle 4). In der Tabelle 4 wird diese Aussage unterstrichen. Beispielsweise konnte bei Reinzuchten Leghorn ein Bruttrieb von 0,1 % und bei Reinzuchten von New Hampshier ein Bruttrieb von 2,5 % erreicht werden. Die Kreuzungstiere erzielten 26,8 % bis 38,4 %.
Einige Aussagen über die Auswirkungen von Vater und Mutter auf die Häufigkeit des Bruttriebes können durch die Tabelle 5 vermittelt werden. Dabei treten bei Hennen, die von Müttern mit Bruttrieb stammen, 42,8 % Bruttrieb auf, bei Hennen, deren Väter von Müttern mit Bruttrieb stammten, war dieser Anteil mehr wie verdoppelt. War der Bruttrieb sowohl bei der Mutter als auch bei der Vatermutter vorhanden, so gluckte nahezu jede daraus entstandene Junghenne.

 
Eierverlust durch Brütigkeit
Durch die Brütigkeit kann ein Eierverlust von 2,2 bis 40 % erfolgen (Tabelle 6). Natürlich hängt das von der Legeintensität und von der Jahreszeit ab, in der diese Erscheinung eintritt. Da es sich um das Frühjahr und den Frühsommer handelt, ist dieser Anteil natürlich besonders hoch. Die Hühner legen sonst zu dieser Jahreszeit sehr gut. Wird eine Henne als Glucke und Führhenne verwendet, gehen etwa 30 % der Eier der Jahresleistung verloren. Werden die Glucken nicht entwöhnt, kann der Ausfall noch ansteigen. Bei einer schnellen und richtigen Entwöhnung, hierzu später noch mehr, kann der Verlust wesentlich verringert werden.


Senkung des Bruttriebes
Die Brütigkeit kann durch Selektion schnell gesteigert, aber auch verringert werden. So senkte HAYS, zitiert bei ENGELMANN (1975) die Brutlust bei New Hampshier von 86 % auf 5 % in 8 Jahren. Aber auch in den Tabellen 1 bis 5 konnten dafür bereits Ansätze gefunden werden. Der Einsatz von Hähnen, deren Mütter ohne Bruttrieb waren, könnte schnell zur Verringerung dieses führen. Die Selektion auf hohe Legeleistung vermindert indirekt auch die Brütigkeit.


Entwöhnung der Glucke
Um den Eierverlust gering zu halten, sollten alle brutlustigen Hennen sofort nach dem ersten Anzeichen vom Nest entfernt und entwöhnt werden. Falls man sie natürlich nicht für diesen Zweck benötigt. Die Methoden waren sehr vielgestaltig für die Entwöhnung der brütigen Hennen. Anbei möchte ich Gelegenheit nehmen und auch an die Tierliebe erinnern. Althergebrachte Formen, wie das in den Sack stecken ohne Futter und Wasser oder ins Wasser tauchen, sind wenig tierliebend, dazu auch noch mit negativen Effekten versehen.
Wird ein Tier gehungert bis es nicht mehr gluckt, dann dauert es auch sehr lange bis die Tiere wieder zu Kräften gekommen sind und Eier gebildet werden.
Am günstigsten hat es sich erwiesen, wenn ein Drahtkäfig vorhanden ist, der außen (vor Regen geschützt) oder im Stall aufgehängt wird. Die Hennen sollen ihre Mitbewohner sehen. Die Fütterung sollte so eiweißreich wie möglich sein. Der Eierstock wird so zur Bildung neuer Eier angeregt und oftmals dauert es nur 7 - 10 Tage und die Legetätigkeit setzt ein. Ein Vorschlag für diesen Entwöhnungskäfig stellt die Abbildung 1 dar. Das Futter und Wasser außerhalb angebracht, verhindert das Verschmutzen, Verkippen und das Darauffliegen der Tiere auf das Futter oder die Tröge.

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Foto: H.-W. Köhler

Die Gewinnung von Glucken

Aus den aufgezeigten Ausführungen lassen sich aber bereits hierfür Erkenntnisse gewinnen. Sowohl über die Selektion, die Züchtung als auch Haltung und Fütterung können Brutlust gefördert werden.
Bei der Haltung von Rassen oder Kreuzungen bzw. Herkünften mit hohem Anteil an Brutlust ist eine gewisse Sicherheit darauf gegeben. Der Einsatz von Hähnen, deren Mütter Glucken waren, erhöht systematisch den Bruttrieb im Bestand. Durch energiereichere und eiweißarme Fütterung, dunkle Nester und das Liegenlassen von einigen Eiern kann der Bruttrieb bei stark veranlagten Beständen schnell ausgelöst werden. Als Beispiel sollen die Chabos genannt werden. Nahezu gleich der Jahreszeit werden ein paar Eier im Nest liegen gelassen, nach 3 - 5 Tagen sitzen die ersten Bruthennen darauf. 


Haltung von Glucken
Natürlich müssen die Glucken im Brutprozess große Fürsorge erhalten. Saubere zweckentsprechende Nester, frei von Ungeziefer und von Raubwild, Hunden u.a. Gefahren geschützt, sind erforderlich. Aber auch bei der kükenführenden Glucke sollten einige Vorkehrungen getroffen werden. Auf jeden Fall hat sich ein Gluckenhäuschen, bei dem ein Kükenschlupf vorhanden ist, bewährt. Die Henne ist von den Küken getrennt und kann "ärmer" gefüttert werden. Kommt die Bruthenne an das eiweißreiche Kükenfutter, beginnt sie eventuell bald wieder mit legen und führt nicht mehr. Wird aber noch Wärme benötigt, gibt es erhöhte Kükenverluste. 
Ist Glucken- als auch Kükenabteil mit Draht versehen, so dass die Küken auch Schutz gegen Katzen usw. haben, kann der Züchter sehr beruhigt die Aufzucht auch ohne Aufsicht durchführen. 


Zusammenfassung
Über den Bruttrieb gibt es viele Aussagen zu machen. Im starken Maße ist dieser genetisch verankert. Zwischen Rassen und Herkünften gibt es große Unterschiede. Das männliche Geschlecht spielt bei der Vererbung eine wesentliche Rolle. Bei Kreuzungen zweier verschiedener nicht brütender Rassen kann es zu Ergänzungen kommen und in der Nachzucht tritt verstärkt Bruttrieb auf. 
Alle brütigen Hennen, die nicht für diesen Zweck benötigt werden, sollten sofort entwöhnt werden. Dabei sollte eine intensive Fütterung erfolgen, um schnell das Eierbildungsvermögen zu erzielen.
Werden Bruthennen verwendet, so sind diese exakt zu halten und zu pflegen.


Dr. Manfred Golze

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Tabelle 1: Auftreten des Bruttriebes in einer Zucht gesäumter Zwerg Wyandotten bei ausschließlicher Anwendung der künstlichen Brut

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Tabelle 2: Das Auftreten des Bruttriebes innerhalb einer Rasse bei verschiedenen Beständen/Herkünften

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Tabelle 3: Einfluss des Hahnes bei der Vererbung der Brütigkeit (Brantas 1969 zit. bei Engelmann 1975

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Tabelle 4: Kreuzungseffekte und ihr Einfluss auf die Brütigkeit

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Tabelle 5: Einfluss von Vater und Mutter auf den Bruttrieb der Nachkommen bei gesäumten Zwerg Wyandotten

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Tabelle 6: Verluste an Eiern bei Hühner durch den Bruttrieb (F1-Hybriden New Hampshier x Leghorn)

1)Entwöhnungsmethode:

-    sofort in Käfig setzen, so dass andere Hühner gesehen werden
-    intensivste, eiweißreiche Fütterung; Anregung der Eierstöcke
-    eventuell mit Hahn als Stimulator

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